Automatisierung im Kundendienst: Service-Wüste “Welt”

Frank Puscher, 14. Mai 2019
Bild: Kalle Kortelainen - Unsplash, CC0

Je weniger sich Produkte und Anbieter unterscheiden, umso wichtiger werden Marke und Kundendienst. Im Service steckt der größte Hebel für Effizienzsteigerung durch Automatisierung, meint Salesforce. Nur bislang machen es zu Wenige.

Für seinen diesjährigen Bericht „State of Service“ hat der CRM-Spezialist Salesforce über 3500 Service-Mitarbeiter und deren verantwortliche Manager und Marketers befragt, wo derzeit die größten Herausforderungen im Erbringen eines guten Kundendienstes liegen, der gleichzeitig effizient und Kosten-schonend funktionieren muss. Wie verändert sich die Rolle der Service-Mitarbeiter in ihrer neuen Funktion als verlängerter Arm des Marketings und häufig erstem direkten Kontaktpunkt zwischen Marke und Kunde?

Man denke nur an die verstärkten Aktivitäten im Direktvertrieb, die es großen Unternehmen wie Adidas abverlangen, nicht nur produktspezifische Themen, sondern auch das komplette Spektrum von Fullfillment bis zur Bezahlung kompetent abbilden zu müssen, um ihre Kunden nicht gleich vom Start weg zu verprellen.

Außerdem fragte Salesforce direkt nach, welche Risiken und Chancen man durch den Einsatz von KI und Automatisierung wittert.

Die Befragung wurde in vier Kontinenten durchgeführt. In den USA, Europa und Ozeanien erreicht man jeweils 975 Marketer und Servicekräfte. In Südamerika nahmen 600 Befragte teil. Rund ein Viertel der Befragten sieht das eigene Unternehmen als „Underperformer“ im Bereich Service. Ein weiteres Viertel findet, man leiste „Exzellentes“ und rund die Hälfte findet sich durchschnittlich. Das gilt für Unternehmen aus B2B, B2C und B2B2C gleichermaßen.

Transformation in vollem Gange

Die Bedeutung von Service als Kundenbindungs- und Differenzierungsinstrument ist im C-Level angekommen. Der Job der Service-Mitarbeiter ändert sich vor allem in den Unternehmen, die Kundenzufriedenheit als wichtigen KPI identifiziert haben. Das sind – so der Bericht – auch die innovativsten Unternehmen, die Geld in die Hand nehmen, um Mitarbeiter zu schulen, Prozesse zu verbessern und nicht zuletzt in Technologie zu investieren.

Das Executive Summary liest sich wie ein Extrakt aus einer Salesforce-Werbebroschüre. 82 Prozent aller Befragten sind der Auffassung, dass der eigene Service besser werden muss. Das „besser“ ist nicht näher spezifiziert. Gleichzeitig wollen nur sechs von zehn Befragten für diese Transformation auch mehr Geld in die Hand nehmen.

Aber egal, ob es einer besseren Performance oder einer besseren Kostenstruktur bedarf: In beiden Fällen ist die Automatisierung von Arbeitsprozessen und das nahtlose Zurverfügungstellen von Daten über Abteilungsgrenzen hinweg ein Schlüsselfaktor. Hierbei beklagen sich die Teilnehmer der Studie aber eher über Budgetrestriktionen oder ineffiziente Prozesse als über Tools. Die technische Ausstattung rangiert erst an vierter Stelle der Herausforderungen. Fast 70 Prozent aller Befragten ist der Auffassung: „Ich habe die Werkzeuge, die ich brauche“.

Drei Viertel aller Serviceagenten erkennen selbst, dass sich ihre Rolle verändert hat. Weg vom repetitiven Abarbeiten der Fälle, hin zu deutlich mehr Strategiearbeit im Vergleich zur letzten Befragung vor zwei Jahren. Hier zeigt sich auch die größte Spreizung zwischen den Top-Unternehmen und den Underperformern. 81 Prozent der Top-Performer finden ihre Arbeit deutlich stärker auf langfristige Beziehungspflege ausgerichtet. Bei den Underperformern sind das nur 63 Prozent.

Es ist wenig verwunderlich, dass die Mehrheit der Befragten dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz dabei einen hohen Stellenwert beimisst. Das gilt vor allem, weil sich immer mehr Teams mit Themen wie Chatbots beschäftigen oder das Feedback der Kunden durch Text- und Sprachanalysen automatisch auswerten wollen. Tatsächlich werden Chatbots häufig eingesetzt, um FAQs abzuarbeiten und somit das Service-Center vor immer gleichen Anfragen zu schützen. Und die automatische Sentimentanalyse war ohne KI schlicht kaum möglich. Sie ergänzt die Tiefeninterviews und Umfragen, die die Unternehmen weiterhin machen.

Allerdings sind es bislang nur 24 Prozent der Unternehmen, die KI zu diesem Zweck nutzen. Weitere 34 Prozent plant das für dieses Jahr. Knapp die Hälfte alle Befragten interessiert sich offensichtlich noch nicht dafür.

Eine interessante Erkenntnis ist, dass 66 Prozent der Befragten davon sprechen, das immer mehr digitale Serviceanfragen kommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei einem Drittel der Unternehmen die Bedeutung des direkten oder telefonischen Kontakts gleich groß bleibt.

Deutschland – Telefonland

Der Salesforce-Bericht segmentiert auch nach Ländern und Regionen. Und Wasser auf die Mühlen aller Skeptiker hierzulande, die von Deutschlands digitaler Rückständigkeit fabulieren, dürfte die Aussage über die Kanalwahl der Kunden sein. Nur die Hälfte aller Unternehmen verspüren einen Anstieg bei der digitalen Kontaktaufnahme. Das ist deutlich weniger als der internationale Durchschnitt.

Die Deutschen sehen schlecht ausgebildete Servicemitarbeiter als wichtigste Herausforderung. Dies wollen sie vor allem durch Schulungen und Prozessoptimierung lösen. Von technischen Investitionen ist bei den drei häufigsten Antworten nicht die Rede.

Besonders deutlich wird der „Rückstand“ bei Künstlicher Intelligenz. Erst 13 Prozent der befragten deutschen Unternehmen nutzen sie und 38 Prozent planen das.

Mag sein, dass manche Marketer und Servicemitarbeiter nicht wissen, wo heute schon überall KI drin steckt. Aber in jedem Fall gibt es für Salesforce hierzulande einiges zu tun, vor allem Aufklärung. Denn auch in Deutschland sagen zwei Drittel aller Befragten, dass sie mit ihrer technischen Ausstattung zufrieden sind.

Schlagwörter Automatisierung Dialog

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